Juli 1944 – April 1945. Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie – WMF. Über 800 jüdische Frauen und Mädchen des Aussenlagers KZ Natzweiler – Struthof in Geislingen gehen täglich diesen Weg in die Fabrik. Sie teilen das Schicksal von mehr als 2000 Zangsarbeitern der WMF. Deportiert – entmündigt – ausgebeutet. Viele von ihnen verlieren ihr Leben.

Inschrift auf der Stolperschwelle

Die Einrichtung des KZ-Außenlagers Geislingen, Nebenlager des Hauptlagers Natzweiler, ist die Folge der Anforderung von KZ-Häftlingen für die Rüstungsproduktion der WMF (Württembergische Metallwarenfabrik) beim Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) im Frühjahr 1944.

Das Lager wurde aus dem bereits bestehenden Zwangsarbeiterlager an der Heidenheimer Str. ausgegliedert und mit Stacheldraht und Sichtblenden von der Außenwelt abgeschottet.

Die 1. Häftlingsgruppe von ca. 700 ungarischen Jüdinnen aus Auschwitz traf am 28.7.1944 im Lager ein, noch bevor die zur Ausbildung in Ravensbrück weilenden SS-Aufseherinnen einsatzbereit waren. Bis dahin überwachte ausschließlich männliches Aufsichtspersonal des Hauptlagers Natzweiler das Außenlager Geislingen. Der Arbeitseinsatz der weiblichen Häftlinge begann am 15.8.1944 und wurde von den SS-Aufseherinnen, ehemaligen Hilfsarbeiterinnen der WMF, kontrolliert. Im Lager wurde eine jüdische „Selbstverwaltung“, die der SS unterstand, eingerichtet, bis Ende Oktober sechs deutsche politische Häftlinge aus Ravensbrück als Funktionshäftlinge eingesetzt wurden. Nach Auskunft der jüdischen Zeitzeuginnen verschlechterten sich dadurch die Lagerbedingungen erheblich.

Kurz vor der Ablösung des 1. Schutzhaftlagerführers Ahrens wurden 12 kranke und schwangere Jüdinnen am 11.10.1944 zur Vernichtung nach Auschwitz „rücküberstellt“.

Wegen Unregelmäßigkeiten in der Amtsführung wurde auch der 2. Schutzhaftlagerführer Schopp Anfang 1945 von seinem Amtskollegen Roman, bis dahin für das Lager Echterdingen zuständig, abgelöst. Die erwähnten Schutzhaftlagerführer unterstanden der Kontrolle der Natzweiler Kommandanten Hartjenstein und Schwarz, die ihrerseits zuvor in Auschwitz-Birkenau bzw. Monowitz eingesetzt waren.

Die 2. Häftlingsgruppe aus 120 polnischen Jüdinnen, die nach Auflösung des Lodzer (Litzmannstädter) Ghettos nach Auschwitz-Birkenau und Bergen-Belsen deportiert wurden, traf Ende November 1944 zum Einsatz bei der WMF in Geislingen ein.

Die Lagerbedingungen verschärften sich Anfang Februar 1945 durch eine 10-köpfige Kapogruppe, die die Nazis den sog. „Asozialen“ zuordneten. Sie wurden nach der Auflösung des Lagers Auschwitz über Ravensbrück nach Geislingen beordert.

Der Arbeitseinsatz der Häftlinge bei der WMF endete Mitte März 1945 wegen Rohstoffmangels und wegen des Zusammenbruchs des Transportsystems. Von diesem Zeitpunkt an verlieh die SS die Häftlinge als Arbeitskräfte an Privatleute, die mit der bescheidenen Entlohnung in Naturalien das Überleben der hungernden Häftlinge notdürftig sichern sollten.

Mit dem Eintreffen von ca. 200 weiteren weiblichen Häftlingen aus den aufgelösten Lagern Geisenheim am Rhein und Calw Anfang April verschärfte sich die Notlage im Lager ein weiteres Mal. Am 11.4. 1945 erfolgte mit dem Abtransport aller Häftlinge nach Allach die Auflösung des Lagers Geislingen.

Die Häftlinge wurden kurzzeitig in Allach inhaftiert, bevor sie Ende April erneut in Güterzüge Richtung Tirol verladen und von den Amerikanern am 30.4.1945 am Starnberger See befreit wurden.

 Am 15. September 2015 verlegte Gunter Demnig die Stolperschwelle, die vor dem WMF-Hauptgebäude an der Eberhardstr. 35 zu liegen kam. Sie trägt die Inschrift:

Für die zwölf im KZ gestorbenen jüdischen Zwangsarbeiterinnen wurde im November 2019 eine Gedenkplatte auf dem Göppinger Hauptfriedhof enthüllt.

Die Geschichte des Geislinger KZ – Außenlagers und das Schicksal ihrer Insassen wird detailliert in Sybille Eberhardts Buch „Als das ‚Boot‘ zur Galeere wurde…“ (ISBN 978-3-95544-100-5) beschrieben.      

(25.11.2019 se)