Wolfstr. 8
Albert Schuler wurde am 31. Mai 1911 in Casablanca / Marokko geboren. Sein Vater Fritz Pasquay war französischer Offizier.
Da es der Mutter Anni Pasquay vermutlich aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war, ihren Säugling zu versorgen, adoptierte die Schwester des Vaters, Maria Schuler, ihren Neffen mit ihrem Mann Dr. Albert Schuler (sen.), als dieser drei Monate alt war
Albert Schuler (jun.) wuchs in Göppingen in der Wolfstraße 8 auf, besuchte ab 1917 das Realgymnasium in Göppingen und trat 1921 in die Lateinklasse ein. Um ihm die bestmögliche Erziehung und Bildung zu ermöglichen, entscheiden sich seine Eltern, ihn ab 1926 in einem Internat unterrichten zu lassen. Ein folgenschwerer Schritt für den jungen Albert, denn dort im ‚Landerziehungsheim Schondorf‘ am Ammersee lernte er James Moltke und Christoph Probst kennen. Moltke wurde später der führende Kopf des Kreisauer Kreises, der gegen die Nazis opponierte, Probst wurde Mitglied der heute weit bekannteren Untergrundorganisation ‚Weiße Rose‘. Deren Gedanken müssen beim jungen Albert, der sowohl vom Elternhaus als auch von der Internatsleitung liberal und streng demokratisch erzogen wurde, auf fruchtbaren Boden gefallen sein.
Nach Ende der Schulzeit im Jahre 1932 unternahm Albert Reisen nach Wien, Rom, Berlin und München, bevor er Technik in Hannover studierte und die Ingenieursschulen in Mittweida und Zwickau besuchte. Am 1. Januar 1939 übernahm Albert Schuler die technische Leitung des Schuler-Konzerns. Als künftiges Vorstandsmitglied wurde er mit führenden Köpfen der Großindustrie bekannt gemacht und traf wichtige Entscheidungsträger aus der Wirtschaft. Die Firma Schuler selbst war schon damals ein bedeutendes Unternehmen.
Vieles spricht auch dafür, dass er seine im Internat und bei der Wehrmacht geknüpften Kontakte mit Regimegegnern hielt. Je länger der Krieg dauerte, je aussichtsloser die Lage wurde, desto klarer musste Schuler werden, in welche Katastrophe Hitler die Nation stürzte. „Es gibt für uns nur das eine Ziel, diese Regierung zu stürzen. Wir warten alle auf den Tag, an dem der Führer ums Leben gebracht wird“, wird er in der Anklageschrift gegen ihn zitiert. „Die ganze Bande“ – gemeint war wohl die Reichsregierung – müsse verschwinden, damit es Deutschland wieder besser ginge, steht dort zu lesen.
Nach Angaben eines Zeitzeugen scheint Schuler diese Aussagen tatsächlich leichtsinnigerweise getätigt zu haben, sie wurden ihm wohl nicht nur unterstellt. Wie er nun ins Fadenkreuz der Gestapo geriet und wer ihn denunziert hat, ist bislang unklar. Nachdem jedoch die Gestapo genügend Belege für ‚defätistische Feindpropaganda und Vorbereitung zum Hochverrat‘ gesammelt hatte, griff sie zu: Am 3. Juli 1943 wurde Albert Schuler von der Stuttgarter Gestapo verhaftet. Bis zur Verhandlung war er in Berlin inhaftiert. Am 22. Oktober 1943 folgte der ‚Prozess‘ vor dem Volksgerichtshof unter Vorsitz von Freisler und Storbeck. Albert Schuler wurde zum Tode verurteilt.
Die gesamte Familie versuchte Albert Schuler aus dieser Situation herauszubekommen, allerdings ohne Erfolg. Am 10. November 1943 richtete seine Mutter Maria Schuler ein Gnadengesuch an den Volksgerichtshof, das abgewiesen wurde. Von einem Dr. Vollmer, der im Auftrag des Reichsministers der Justiz handelte, wurde veranlasst, die Vollstreckung „mit größter Beschleunigung“ vorzunehmen. Albert Schulers Tante, Frieda Pasquay, durfte ihren Neffen noch einmal besuchen. Alberts Mutter Maria war ein Besuch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich. Am 10. Dezember 1943 wurde Albert Schuler mit dem Fallbeil hingerichtet. Anfang des Jahres 1944 erhielt Maria Schuler die „Kostenrechnung“. Darin wurde sie aufgefordert, die durch Inhaftierung, Vollstreckung usw. verursachten Kosten zu tragen.
Jahrzehnte lang war das Schicksal des Albert Schuler nur dem Familien- und Freundeskreis bekannt. Durch Recherchen von Pia Maria Hellweg, einer jungen Verwandten aus der Schuler-Familie, wurde eine Geschichte publik, die es verdient hat, von möglichst vielen als mahnender Hinweis auf die Unmenschlichkeit des NS-Regimes, aber auch als Beispiel für den Mut Einzelner gelesen zu werden.
Gunter Demnig legte am 4. Oktober 2005 den ersten Stolperstein in Göppingen zum Angedenken an Albert Schuler.
(12.02.2016 ph)
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