Geboren am 27.08.1874 in Ulm
Gestorben am 4. November 1958 in Stuttgart
Inhaftiert in Weißenstein im August 1942
Elisabeth Weißenburger stammte aus einer jüdischen Familie israelitischen Glaubens und wurde am 27. August 1874 in Ulm geboren. Ihre Eltern waren Friederike, geb. Nathan, verheiratet mit dem Kaufmann Rudolf Weißenburger. Elisabeth hatte noch sechs jüngere Geschwister. Als ihr Vater im Jahr 1902 starb, dürfte die finanzielle Lage der Familie aber sicher geblieben sein, denn zu dieser Zeit konnte Elisabeth ihre künstlerische Ausbildung weiter führen: Zunächst nahm sie Privatunterricht bei einem Maler in Ulm, ab April 1901 wohnte sie in München und besuchte vermutlich die dortige ‚Königliche Kunstgewerbeschule‘, ihr Lehrer war ‚Paul Müller‘ (evtl. Peter Paul Müller 1853 – 1930, Landschaftsmaler).
Diese Zeichnung, ein Rückblick in das alte Ulm, ist das bislang einzige Dokument von Elisabeth Weißenburgers künstlerischen Schaffens. Da sie mit ‚Weißenburger-Kaltenbach‘ signierte, muss die Zeichnung nach 1905 entstanden sein. Denn am 22. April 1905 heiratete Elisabeth Weißenburger als 31jährige in Ulm den evangelischen Kaufmann Emil Friedrich Louis Kaltenbach, geb. am 10. Juni 1881 in Altensteig/Kreis Nagold. Elisabeth nahm die evangelische Konfession ihres Ehemanns an.
Das Ehepaar lebte zunächst in Ulm und bekam hier drei Kinder:
- Erich, geb. 08.03.1906 in Ulm,
- Edith, geb. 12.01.1907 in Ulm, später verheiratete Fischer,
- Walter, geb. 18.09.1908 in Ulm.
Im gleichen Jahr verließ die Familie Ulm und und ließ sich in Frankfurt am Main nieder. Der neue Wohnsitz brachte anscheinend kein Glück, denn im Januar 1910 zog Elisabeth mit den Kindern nach (Markt) Königstein in Bayern, während ihr Gatte Emil sich ‚unbekannt auf Reisen‘ begab. Für die alleinerziehende Mutter folgte eine Zeit der häufigen Wohnungswechsel: 1911 hielt sie sich zunächst in Neckargemünd auf, im August des Jahres an war sie kurz in Heidelberg gemeldet, wo sie in der Bahnhofstraße zur Miete wohnte. Wenige Wochen später zog Elisabeth mit den Kindern ins nahe gelegene Mannheim, wo sie in der Augartenstraße bei ihrer verwitweten Mutter Friederike Weißenburger unter kam.
Auch dort scheint kein Bleiben möglich gewesen zu sein, die nächste Adresse lautete Godesberg, Rüngsdorferstraße 35. Hier dürfte die entwurzelte Malerin endlich Fuß gefasst haben, denn bis zum nächsten Ortswechsel vergingen knapp eineinhalb Jahre: Am 15. Mai 1913 ließ sich Elisabeth Kaltenbach mit ihren Kindern im nahen Bonn nieder und dürfte sich auch beruflich etabliert haben: Am 12. Dezember 1914 erscheint im ‚Bonner Generalanzeiger‘ ihre Annonce: Elisabeth Kaltenbach bot Privatunterricht an im ‚Zeichen,und Malen, Lithografieren und Illustrieren‘.
Die zerbrochene Ehe zwischen Elisabeth und Emil Kaltenbach wurde am 21.05.1915 offiziell geschieden. Alle drei Kinder blieben bei der Mutter, der geschiedene Ehemann zahlte anscheinend keinen Unterhalt, dennoch ermöglichte Elisabeth ihren Kindern den Besuch einer höheren Schule, ein Indiz, dass ihre Einkünfte aus dem Privatunterricht hinreichend gewesen sein dürften. In den 1920er Jahren machten sich die Söhne Walter und Erich (früh) selbstständig und zogen von Bonn weg. Mit dem Beginn der NS-Diktatur konnte Elisabeth Kaltenbach ihren Beruf nicht länger ausüben: Als ‚Jüdin‘ wurde sie nicht in die Reichskulturkammer aufgenommen und sie durfte auch keine Kunst – Materialien erwerben. Auch der Kontakt zu Nicht-Juden wurde der Kunstlehrerin verwehrt.
Am 31. Oktober 1935 zog Elisabeth Kaltenbach zusammen mit ihrer Tochter Edith von Bonn nach Stuttgart. Dort wohnte zumindest Elisabeth im Haus des ‚Stuttgarter Frauenclubs‘ in der Stuttgarter Alleenstraße 25, etwa 1938 / 39 musste sie aber wegen ihrer ‚jüdischen‘ Herkunft ausziehen. Inwieweit die Vorstandsvorsitzende des Vereins, Laura von Burckhardt die Ausweisung betrieb oder sich ‚nur‘ einer Direktive der NS-Verwaltung beugte, sei dahin gestellt.
Elisabeth fand im katholischen ‚Veronikaheim‘ in der Gänsheidestraße 49 Aufnahme (exakte Bezeichnung: Altersheim der Veronikaschwestern). Unter dieser Adresse findet man Elisabeth Kaltenbach in den Stuttgarter Adressbüchern von 1939 bis 1941. Inwieweit bot das ‚Veronikaheim‘ der evangelischen Christin Schutz und sicherte ihre Versorgung? Im Jahr 1942 dürfte sie (wohl gezwungenermaßen) das Veronikaheim verlassen haben, denn die letzte Adresse vor der Verbringung auf das Schloss Weißenstein im August 1942 lautete: Stuttgart – Sillenbuch Im Lauch 8. Es ist auffällig, dass unter dieser Adresse keine ‚jüdischen‘ Mitbewohner verzeichnet sind.
Das Überleben Elisabeth Kaltenbachs bis zu diesem Zeitpunkt lässt viele Fragen offen: Da sie seit langem von ihrem ‚arischen‘ Ehemann geschieden war, stand sie nicht mehr sicher unter dem Schutz einer ‚privilegierten Mischehe‘. Elisabeth Kaltenbach kann nur wenige Tage im Zwangswohnheim Schloss Weißenstein verbracht haben, denn am 20 August mussten die verbliebenen Insassen das Schloss verlassen und wurden über Stuttgart ins KZ Theresienstadt deportiert – nicht aber Elisabeth Kaltenbach. Da mit dieser Deportation auch das Zwangswohnheim im Schloss ein Ende fand, brauchte Elisabeth Kaltenbach eine neue Unterkunft und fand sie bis zum 20.11.1942 im Haus des Weißensteiner stellvertretenden Bürgermeisters Franz Heilig. Heilig war aber bemüht, die ‚Jüdin‘ wieder los zu werden, mit ‚Erfolg‘: Am 21. November 1942 musste Elisabeth ins Zwangsghetto von Buttenhausen ziehen. Nach der Auflösung des Ghettos am 3. Oktober 1943 wurde sie wieder nach Stuttgart verschickt und zwar in die Rankestr. 44 in Stuttgart – Sillenbuch; Eigentümer des Hauses war die nichtjüdische Familie Groß.
Von dieser Adresse aus wurde Elisabeth Kaltenbach am 1. November 1944 von einem SS-Kommando abgeführt und ins KZ Theresienstadt deportiert (Transport XIII / 5, Deportierten – Nummer 18). Diese ‚späte‘ Deportation erlitten oft Menschen jüdischer Herkunft, die mit einem Nichtjuden verheiratet waren. Elisabeth, inzwischen 70 Jahre alt, überlebte mit Glück die Inhaftierung im KZ. 1948 gab sie zu Protokoll: „ Die Verhältnisse in Theresienstadt waren furchtbar. Die Ernährung war völlig unzureichend. Ich selbst wog zum Schluss noch 78 Pfund.“
Nach der Befreiung durch die Rote Armee brauchte Frau Kaltenbach eine Erholungszeit, bevor sie am 21. Juni 1945 wieder nach Stuttgart zurückkehren konnte. Zunächst wohnte sie in der Rankestr. 44, später, ab April 1947 wieder, wie vor ihrer Verbringung nach Weißenstein, unter der Adresse Im Lauch 8 in Stuttgart-Sillenbuch. Diese Rückkehr lässt vermuten, dass sie zu den Hausbewohnern ein enges persönliches Verhältnis hatte. Hier starb Elisabeth Kaltenbach, inzwischen erblindet, als 84jährige am 4. November 1958.
Ihre Kinder überlebten die NS-Zeit, Sohn Walter war wahrscheinlich nach Brasilien geflüchtet, wo im Mai 1947 Elisabeths Enkelkind Olavo Kaltenbach geboren wurde. Elisabeths Tochter Edith heiratete im Januar 1949 in Stuttgart den Kaufmann Alfred Ludwig Fischer. Edith Fischer bemühte sich auch im Namen ihrer Mutter für eine Entschädigung für deren erlittenes Leid. Das Restitutionsverfahren zog sich bis in den September 1957 hin.
Emil Kaltenbach, Elisabeths geschiedener Ehemann, der ab 1940 auch in Stuttgart gewohnt hatte, wurde im Juli 1943 wegen zurückliegender „kritischer Äußerungen über das NS-Regime“ verhaftet und im KZ Dachau inhaftiert (Zugangsdatum 23.07.1943). Mehrfach kam er im Jahr 1944 in ‚Kommandanturarrest‘. Er starb 63-jährig im KZ Dachau am 11.12.1944.
Opfer der NS – Diktatur gab es aber auch in Elisabeth Kaltenbachs Familie: Ihre Cousine Berta Frank, geb. Weißenburger, die in Stuttgart-Degerloch lebte, wurde mit ihrem Ehemann Dr. Stefan Salomon Frank ins KZ Theresienstadt deportiert, wo beide ermordet wurden.
(22.10.2022 kmr)
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