Büchenbronner Straße 34, Ebersbach an der Fils

An das Schicksal der dreiköpfigen Familie Neumann erinnern drei Stolpersteine in Ebersbach an der Fils. Am 14. November 2018 wurden diese im Fußgängerweg in der Büchenbronner Straße 34 in Ebersbach vor dem Pfarrhaus durch Gunter Demnig verlegt. An jener Stelle, an der die Familie Neumann vorbeikam, als sie aus dem Pfarrhaus abgeführt worden war. Die Inschriften der Stolpersteine nennen die jeweiligen Namen und Lebensdaten der Ermordeten und fassen den letzten Lebensabschnitt zusammen.
Stille Helfer für Verfolgte
Die Hilfeleistung für Verfolgte durch das Pfarrerehepaar Hermann und Anneliese Diem und durch die Vikarin Ilse Härter sind seit einigen Jahrzehnten vage bekannt. In seinen 1975 veröffentlichten Lebenserinnerungen „Ja oder Nein. 50 Jahre Theologie in Kirche und Staat“ erwähnte Hermann Diem in einem kurzen Abschnitt, wie er eine jüdische Mutter und ihre beiden Söhne bei sich im Pfarrhaus versteckt hatte. Auch Ilse Härter, die von 1942-1944 in Ebersbach als Vikarin tätig war, sprach 1983 in zwei Seminaren über ihre Erlebnisse und Erfahrungen im Kirchenkampf der NS-Zeit. Erst 2011 wurden diese Vorträge publiziert. Eine Verknüpfungen des Ebersbacher Pfarrhauses zur württembergischen „Pfarrhauskette ergab sich erst durch die vermehrte Erforschung der stillen Helfer“. 17 Menschen konnte die Aktion „Pfarrhauskette“ vor der Ermordung retten. Es ist den zahlreichen Veröffentlichungen zu danken, dass ab November 2018 über die Lebensumstände und das Schicksal der dreiköpfigen Familie Neumann in Ebersbach umfassend berichtet werden kann.


Vor der Verfolgung versteckt gelebt
Wie viele Menschen im Ebersbacher Pfarrhaus oder in Privathäusern in Ebersbach kurzfristig versteckt gelebt hatten, ist unbekannt. Meist waren es Juden, denen man mit einem kurzfristigen Versteck vor Verfolgung durch die Nationalsozialisten ein wenig Schutz und ein Dach über dem Kopf geben wollte. Bislang sind zwei Beispiele für das Ebersbacher Pfarrhaus bekannt. Für ein Privathaus ist eine Begebenheit während des Zweiten Weltkrieges mündlich überliefert. Demnach begehrte damals der Ortsgruppenführer der NSDAP in Begleitung des Amtsdieners der Gemeinde Einlass in ein Wohnhaus mit der Begründung, dass eine „Jüdin“ im Haus versteckt sei. Einlass wurde ihm nicht gewährt.
Lebenserinnerungen einer Überlebenden
In ihrer 2014 in den USA erschienenen Biographie „Passing. Growing up in Hitler’s Germany“ erzählt Anita Witt, geborene Schröder, wie sie in Cannstatt als Tochter eines evangelischen Vaters und einer zum protestantischen Glauben konvertierten Jüdin aufwuchs. Ende August 1943 konnten ihren Eltern sie nach Ebersbach schicken, gerade noch rechtzeitig, bevor sie mit einer Kinderlandverschickung völlig von ihren Eltern getrennt werden sollte. Vermutlich über den Pfarrer der reformierten Gemeinde in Stuttgart, Kurt Müller und seiner Frau Elisabeth, kam der Kontakt nach Ebersbach zu Pfarrer Diem zustande. Für die beste Freundin der Tante von Anita Schröder wollte Kurt Müller schon einen Unterschlupf vermitteln, doch Dr. Marga Wolf lehnte ab. Sie starb 1944 in Theresienstadt. In Ebersbach verbrachte Anita Schröder die Kriegszeit. Sie lebte zunächst im Haus des Pfarrers Diem. Kurze Zeit später arrangierte man einen ständigen Aufenthalt bei einer Ebersbacher Familie, die eine Tochter im gleichen Alter hatte. Die jüdische Herkunft ihrer Mutter war ein „lebensgefährliches Geheimnis“ erzählte Anita Witt in einem Telefongespräch im Februar 2015. Dieses Geheimnis erzählte sie nicht einmal der Tochter der Gastfamilie, mit der sie zwei Jahre lang ein Zimmer geteilt hatte und mit der sie nach Göppingen in die Schule ging. Im April 1945, direkt nach dem Einmarsch der Amerikaner, kehrte sie zusammen mit ihren Eltern zurück nach Bad Cannstatt. Später wanderte sie in die USA aus.
Franziska Neumann und ihre Söhne Ludwig und Wolfgang

Nach längeren Recherchen kann seit November 2018 auch das Leben und Schicksal von Franziska Neumann und ihrer Söhne Ludwig und Wolfgang umfassender geschildert werden. Etwa drei Wochen lang lebten sie im Ebersbacher Pfarrhaus, also vier Monate vor Anita Schröder. Leider gehören die drei zu denjenigen Schützlingen der „Pfarrhauskette“, die von der Gestapo aus Ihrem Versteck heraus verhaftet wurden. Im April 1943 wurde die Familie im Ebersbacher Pfarrhaus verhaftet – ein wohl einmaliger Fall in der württembergischen Kirchengeschichte. Von Stuttgart aus wurden sie am 17. Juni 1943 nach Auschwitz deportiert, wo sie danach den Tod fanden.
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